Corona-immunitätsausweis als app: kommen digitale Impfpässe?

Im Kampf gegen das Coronavirus werden verstärkt auch digitale Helfer diskutiert. Neben einer Tracing-App soll ein Immunitätsausweis bei der Rückkehr zur Normalität helfen. Was hat das mit dem alten Impfpass zu tun? Und warum lehnen viele die Idee ab?

Schon jeder hat das gelbe Stück Papier einmal verflucht und jede Schublade in der Wohnung mehrmals durchsucht, um ihn zu finden: den Impfpass. Er ist nicht nur ein Gesundheits- sondern auch ein Reisedokument. Manche Staaten verlangen bei der Einreise aus bestimmten Gebieten beispielsweise eine Gelbfieberimpfung.

Die Idee, ein Gesundheitsdokument als eine Art Pass zu nutzen, wird angesichts der Corona-Krise auch in der Bundesregierung durchgespielt. Sollte etwa gesichert sein, dass Corona-Genesene gegen die Krankheit immun sind, könnten diese laut Gesundheitsminister Jens Spahn einen Corona-Immunitätsausweis erhalten. Unter Umständen würden gewisse Corona-Beschränkungen für sie dann nicht mehr gelten, vor allem für Pflegeberufe sei das nützlich.

Auch, wenn Spahn die konkreten Pläne für einen solchen Ausweis vorerst etwas bremste: Tot ist der digitale Corona-Immunitätspasse damit nicht. Wie könnte ein solcher Ausweis also aussehen?

Projekt plant Corona-Immunitätspass

Während der altbekannte Impfpass, letztlich ja auch ein Immunitätsnachweis, in papierener Einfachheit daherkommt, wird der neue Immunitätspass für Corona und künftige Pandemien eher digital funktionieren. Ein erstes Projekt des Verein «Digital Health Center» läuft in NRW bereits und soll demnächst bereits getestet werden: Dort arbeiten Firmen und Behörden wie die Boston Consulting Group, die Uniklinik Köln, die Bundesdruckerei und weitere Institutionen im Moment an einer Lösung.

Diese soll es ihrem Nutzer letztlich ermöglichen, sich per App bei Behörden, beim Arbeitgeber oder auch an Flughäfen als corona-immun auszuweisen. Dies soll über Behörden erfolgen: Macht jemand einen Test erhält er in der App ein Gesundheitszertifikat, mit dem er sich offiziell als immun kenntlich machen kann. Wer so nachweisen kann, dass er immun ist, könnte beispielsweise bestimmte Berufe oder sonstige Rechte früher ausüben als nicht-immune Menschen. So zumindest lässt sich der Plan aus Spahns Ministerium lesen.

Zudem sollen die Immunitäts-Daten des Projektes aus NRW pseudonymisiert für die Forschung gegen Corona und für einen Impfstoff genutzt werden können. Blockchain-Technologie sowie das Arbeiten mit Verschlüsselungsmethoden soll verhindern, dass Cyberkriminelle diese Gesundheitsdaten abrufen können.

Kleine Impfpass-Lösungen gibt es bereits

Das versprechen auch private Anbieter, die mit digitalen Impfpass-Lösungen abseits von Corona-Immunität bereits auf dem Markt sind. Hier gibt es jedoch keine behördlichen Bestätigungen oder Zertifikate. Der Kunde übertragt schlicht selbst die Daten aus dem gelben Impfpass in die App. Die speichert die Daten verschlüsselt, entweder auf dem Gerät des Nutzers oder dezentral auf Servern, und ermöglicht es den Nutzern, sie beispielsweise für Ärzte freizugeben.

Bei der Lösung Vivy speichert der User seine Impfdaten ein und kann sich Impferinnerungen selbst einrichten. Muss sein Arzt etwas über die Impfungen wissen, kann der User per E-Mail einen Link sowie an einen Pin-Code an seinen Arzt versenden. Der Arzt kann das Dokument dann öffnen, solange der Nutzer die App geöffnet hat. Ist der Pin eingegeben, kann der Arzt das Dokument betrachten oder downloaden. Auf Wunsch verfällt die Datenfreigabe wieder. Andere Anbieter und auch Krankenkassen bieten ähnliche Systeme.

Diese einfachen, selbst befüllbaren Apps sollen Menschen an anstehende Impfauffrischungen erinnern und so für flächendeckenden Impfschutz der Bevölkerung sorgen. Vor allem aber sollen sie verzweifeltes Impfpasssuchen vermeiden. Verlorene Impfpässe sorgen jedes Jahr für unnötige und für Krankenkassen teure Doppelimpfungen. Wer den gelben Impfpass verliert, muss im Zweifel derzeit nämlich noch einmal geimpft werden. Ein digitaler Pass, wie die bereits verfügbaren, kann da zumindest Hilfestellung leisten. Ein offizieller Ersatz für den gelben Impfpass ist er nicht, da er ja auf selbstgemachten Eingaben beruht. Er wird daher auch als Nachweis bei Einreisekontrollen oder als Nachweis für Corona-Immunität keinen Wert haben.

Datenschutz für Impfdaten?

Bedenken gegen digitale Impf- und Immunitätsausweise gibt es von vielen Seiten. Allgemein sind da die Probleme, die Datenschützer immer mit der Digitalisierung solch sensibler Daten haben. Digitale Daten haben es anders als ein Papp-Impfpass nun einmal an sich, leichter kopiert, gestohlen und gesammelt werden zu können. Es ist sicher einfacher, die Datenbank einer schlecht gesicherten Digitalen-Impfpass-App zu knacken und sich dort die Impfdaten von tausenden Menschen zu stehlen, als in tausende Wohnungen einzubrechen und dort die gelben Impfpässe zu finden, die schon ihre Besitzer meist stundenlang suchen müssen.

All diese Datenschutz-Zweifel sind berechtigt, durch entsprechende Technologie und dezentrale Speicherlösungen jedoch vermutlich tatsächlich lösbar.

Ethische Bedenken gegen Spahns Pläne

Viel grundlegender erscheinen aber die ethischen Bedenken gegen die aktuellen Pläne des Gesundheitsministers, behördliche Ausweise auszugeben beziehungsweise bestimmte Rechte daran zu knüpfen. Die sind ziemlich undigital und würden auch für Corona-Immunitätspässe auf farbiger Pappe gelten.

Solange es keinen Impfstoff gibt, könnten Menschen sich, um einen Ausweis und damit einhergehende Rechte zu erhalten, bewusst mit dem Coronavirus anstecken. Etwas, das gefährlich bis tödlich enden kann – etwa, wenn Vorerkrankungen unterschätzt werden oder unentdeckt sind. Eine Gefahr vor der auch die WHO warnt.

Gibt es dann einen Impfstoff, würde ein Immunitätsausweis zu einem Impfpass. Eine funktionierende Corona-Impfung würde schließlich Immunität gegen das Virus bedeuten. Das heißt jedoch auch: Jeder, der sich nicht impfen lassen kann oder will, müsste eventuell weiter mit Einschränkungen leben, weil er beim Arbeitgeber oder am Flughafen nicht nachweisen kann, dass er Corona-immun ist. Dies käme letztlich wohl einer Art Impfpflicht gleich. Auch die Gefahr, dass beispielsweise Arbeitgeber — und sei es inoffiziell — vor der Einstellung Immunitätsnachweise für Corona, aber auch andere Krankheiten wie HIV oder Hepatitis verlangen würden, treibt einige Kritiker der Regelungen um.

Neben viel Kritik aus der Opposition, die von Linke über Grüne bis zur AfD einen Corona-Immunitätspass ablehnt, kommt vom Koalitionspartner in Richtung Spahn eine differenzierte Einschätzung. SPD-Chefin Saskia Esken bewegt sich dabei nahe an der Grenze, die auch aktuell bereits besteht: Einen digitalen Impfpass, der an Termine erinnert und vor Verlust schützt, findet sie durchaus gut, Regelungen, die Rechte an bestimmte Einträge im digitalen Impfpass koppeln, nicht.

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