Dem großteil der berliner Airbnb-gastgeber drohen strafen

Bei den meisten Berliner Inseraten auf der Buchungsplattform Airbnb fehlt weiterhin die Registriernummer. Den Gastgebern drohen dafür empfindliche Strafen bis 500.000 Euro. Doch das Geschäft lohnt sich: Im Oktober lag der Umsatz bei 16 Millionen Euro.

In rund 90 Prozent aller Berliner Airbnb-Inserate ist keine Registriernummer angegeben, obwohl dies in den meisten Fällen verpflichtend ist. Das zeigt eine exklusive Datenauswertung von rbb|24.

Im November gaben Anbieter in gerade einmal 1.242 der Fälle ihre Registriernummer an — von insgesamt 13.644 aktiven Inseraten. Mit aktiven Inseraten sind solche mit mindestens einer Bewertung gemeint.*

Einem Großteil der Anbieter ohne Registriernummer drohen nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz hohe Strafen. Allerdings sind auch einige Angebote darunter, für die das Gesetz nicht gilt.

Wenn man die eigene Berliner Wohnung kurzfristig über die Vermittlungsplattform Airbnb vermieten will, kann das schnell ins Auge gehen: Seit 1. August schreibt das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz vor, dass die meisten Gastgeber bei Kurzzeitvermietungen eine Registriernummer des Bezirksamtes in ihrem Inserat auf Airbnb oder anderen Plattformen anführen müssen. Andernfalls drohen Strafen bis zu 500.000 Euro.

Ausgenommen davon sind nur Unterkünfte in Gewerbeeinheiten oder Gastgeber, die ein Attest des Bezirksamt erhalten haben oder einen Aufschub vereinbaren konnten. Laut Airbnb brauchen auch sogenannte Serviced-Apartments oder Hotels, die über die Plattform nach Gästen suchen, keine solche Registriernummer. Nur rund ein Prozent der Gastgeber machen eine solche Ausnahme in ihrem Inserat geltend. Wie hoch hier die Dunkelziffer liegt, können aber weder Senatsverwaltung, Wohnungsämter, Airbnb und Experten abschätzen. Da Airbnb selbst keine Daten veröffentlicht, hat rbb|24 mit Hilfe des Datenportals insideairbnb.com das Berliner Airbnb-Angebot analysiert.

Gegen das Rollkoffer-Syndrom

Das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz soll verhindern, dass kostbarer Wohnraum für andere — oft lukrativere — Zwecke verwendet wird. Eckhard Sagitza, dem Leiter des Fachbereichs Wohnen am Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, geht es aber auch um den Schutz der Bewohner. «Die Touristen benehmen sich wie in einem Hotel, bloß dass da keine Rezeption ist und keiner die ganze Sache kontrolliert», sagt Sagitza über häufige Probleme mit Gästen. «Dann wird eben nachts auf die Klingelknöpfe gedrückt, weil man die Schlüssel vergessen hat und die Oma, die dahinter wohnt, kriegt einen Herzinfarkt.» Oder die Touristen würden lautstark den Rollkoffer über vier Treppen nach oben ziehen.

Immer mehr Touristen wollen heute nicht mehr in Hotels in Touri-Gegenden wohnen, sondern sie zieht es in die beliebten Wohnkieze, um unter echten Berlinern zu sein. «Wir reden vom Rollkoffer-Syndrom», sagt Sagitza. «Es sind Belastungen, die für die Bevölkerung schwer auszuhalten sind und die sich in bestimmten Kiezen konzentrieren.» Wie die Karte unterhalb zeigt, gibt es eine besonderes hohe Dichte an Airbnb-Angeboten etwa rund um die Simon-Dach-Straße in Friedrichshain, im Kreuzberger Bergmann-Kiez oder etwa rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg.

Seit Juli 2018 ist die Zahl der aktiven* Airbnb-Inserate in Berlin um rund 18 Prozent gesunken. Gab es im Juli 2018 noch 16.549 aktive Inserate, waren es im November 2018 nur noch 13.644 Angebote — vermutlich auch, weil die hohen Strafen abschrecken. Airbnb hält die Zahlen der Analysten für unzuverlässig, veröffentlicht aber keinen eigenen Datensatz.

Gastgeber machen Millionenumsätze

Doch obwohl die Zahl der Inserate sinkt — die Kontrollen der Bezirke also offenbar Wirkung zeigen -, bleibt die Vermietung an Touristen über Plattformen wie Airbnb eine Gelddruckmaschine. Alle Berliner Airbnb-Gastgeber zusammen haben alleine im Oktober 2018 laut Berechnung der Analysten der Firma AirDNA 16 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Während der Hochsaison im Juli, August und September 2018 waren es fast 20 Millionen Euro pro Monat. Durch die Registrierpflicht lässt sich in diesen Zahlen jedenfalls kein Einbruch erkennen.

In den vergangenen Jahren haben sich Umsätze der Airbnb-Gastgeber vor allem in eine Richtung entwickelt: steil nach oben. Der Jahresumsatz 2017 von 148 Millionen Euro wurde in den ersten zehn Monaten des Jahres 2018 (rund 159 Millionen Euro) bereits übertroffen. Allein in den zwei Jahren von 2015 (rund 71 Millionen Euro) auf 2017 hatte sich der errechnete Umsatz mehr als verdoppelt. Airbnb zweifelt die Zahlen externer Analysten an, nennt aber auch hier keine eigenen.

Mit zwei Ferienwohnungen ein Arbeitsgehalt verdienen

Auch wenn das Übernachten in solchen Ferienwohnungen oft günstiger ist als in einem Hotel, lässt sich damit gut Geld verdienen. «Man muss sich vorstellen, dass zwei wirtschaftlich interessant gelegene Ferienwohnungen, die in Prenzlauer Berg oder in Friedrichshain liegen, ein komplettes Arbeitseinkommen darstellen», erklärt der Rechtsanwalt Lukas Wenderoth, der sich auf Zweckentfremdungsrecht spezialisiert hat. «Man geht davon aus, dass sich mit einer gut laufende Ferienwohnung ein Umsatz von 25.000 bis 30.000 Euro [Anm. der Redaktion: pro Jahr] ohne Weiteres erzielen lässt.»

Die Immobilienkauffrau Amina Kohlmeyer von der Firma Neo Res erzählt bei einem Gastgeber-Treffen in Berlin-Mitte, dass Anleger mitunter überlegen, eine erworbene Wohnung als Ferienwohnung anzubieten. «Dann kommt die Frage: Wie erziele ich hier die höchste Rendite», erklärt Kohlmeyer aus ihrer Erfahrung. «Das ist halt so. Und da ist dann das Thema Ferienwohnungen schon ganz oben.» Da sich diese Rendite-getriebenen Käufer aber eigentlich nicht mit der Ferienwohnung auseinandersetzen wollen, bieten spezialisierte Firmen ein Rundum-Sorglos-Paket für solche Gastgeber an. Legal sind solche Ferienwohnungen von Investoren allerdings nur in Einheiten, die für die Gewerbenutzung bestimmt sind.

Das Wohnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg kennt jedoch Fälle, in denen Investoren solche Fulltime-Ferienwohnungen ohne Genehmigung in Wohnhäusern betreiben. «Da wird eine Eigentumswohnung nach der anderen gekauft und dann haben sie mehrere Wohnungen, die einfach dem Wohnungsmarkt überhaupt nicht mehr zur Verfügung stehen,» sagt Sagitza.

Airbnb bot dem Land Kooperation an — wollte aber auch Daten vom Land

Der Hauptteil der Einnahmen verbleibt bei den Gastgebern, aber auch die Vermittlungsplattform Airbnb profitiert von dem Geschäft. Pro Buchung erhebt der Internetkonzern mit Europa-Sitz in Irland zwischen drei und zwanzig Prozent Buchungsgebühr.

Für ein Interview stand Airbnb nicht zur Verfügung und ließ auch die konkreten Fragen von rbb|24 zur Verantwortung als Plattform für die hohe Zahl nicht registrierter Unterkünfte unbeantwortet. Stattdessen schickte die Pressesprecherin ein allgemeines Statement: «Airbnb unterstützt das eigentliche Ziel des Gesetzes, Wohnraum zu schützen und gleichzeitig Homesharing zu erleichtern», heißt es darin. Gleichzeitig kritisiert die Unternehmensprecherin den Berliner Senat: Dieser wolle mit einem «bürokratischen und teilweise nicht mit dem Gesetz zu vereinbarenden Genehmigungsprozess» das gelegentliche Vermieten erschweren. «Für eine Lösung, die Wohnraumschutz effektiv vorantreibt und den administrativen Aufwand für die Verwaltung verringert, scheint jedoch der politische Wille zu fehlen.»

Stadtentwicklungssenatorin Karin Lompscher (Linke) erklärt dem rbb dazu auf Anfrage: «Airbnb hat dem Land Berlin mal eine Kooperation angeboten unter der Voraussetzung, dass auch wir Daten zur Verfügung stellen. Das kommt natürlich überhaupt nicht infrage. Wir kooperieren nicht mit einem privaten Anbieter.»

Berliner Wohnungsmarkt vs. irischer Datenschutz

Bei der Kontrolle des Zweckentfremdungsverbots stößt die Verwaltung immer wieder an Grenzen. Das Unternehmen Airbnb betont zwar regelmäßig seine Kooperationsbereitschaft, hält aber in konkreten Fällen nichts vom Teilen seiner Daten.

Da Airbnb die Namen und Adressen der Gastgeber nicht veröffentlicht, sind die Bezirksämter auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Trotz expliziter Mitwirkungspflicht für Plattformbetreiber, verweigere Airbnb laut Sagitza die Herausgabe von Nutzerdaten. Zwei Klagen von Bezirksämtern gegen Airbnb auf Herausgabe von Nutzerdaten scheiterten vor Gericht.

«Airbnb beruft sich, da der Unternehmensserver für ganz Europa in Irland steht, auf spezielle irische datenschutzrechtliche Regelungen, die es dem Unternehmen verwehren, bestimmte Daten an die Berliner Behörden herauszugeben», erklärt die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Petra Rohland. Die Möglichkeiten Auskünfte zu erzwingen, werden als «sehr gering angesehen». Airbnb selbst gibt hier keinen Deut nach. Die Datenanfragen des Bezirksamtes bezeichnet das Unternehmen als «rechtswidrig».

Große Abschreckung, aber wenig Kontrolle

Die hohen Strafen durch das Zweckentfremdungsverbot haben wohl eine abschreckende Wirkung, die sich auch schon im Rückgang der Angebote zeigt. Dennoch fällt den Behörden die Kontrolle schwer: Aktiv werden sie in erster Linie, wenn es etwa Beschwerden von Nachbarn gibt. Seit 2015 haben die Berliner Bezirksämter gemeinsam wegen Zweckentfremdung über 800.000 Euro an Bußgeldern verhängt.

Doch solange Airbnb weiterhin die Kooperation bei der Kontrolle verweigert, fühlen sich die Wohnungsämter an Sysiphos aus der griechischen Mythologie erinnert: Nie gelingt es, den schwere Felsbrocken bis auf den Gipfel hinauzurollen.

Der Leiter des Kreuzberger Wohnungsamtes formuliert es so: «Wir haben eine ganze Menge Wohnungen wieder zurückgeholt. Es gibt aber noch eine ganze Menge, die noch auf dem Markt sind — und eine ganze Menge, die immer wieder dazukommt.»

DIE DATEN

* Stand: 7. November 2018. Berücksichtigt wurden nur Anbieter, die in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens eine Gäste-Bewertung erhalten haben.

Nicht jeder Gast hinterlässt eine Bewertung, aber hinter jeder Bewertung steht mindestens ein Gast. Davon ausgehend nutzt das rbb|24-Datenteam die Bewertungen, um daraus zu schließen, ob ein Gastgeber seine Wohnung/sein Zimmer aktiv anbietet. Das ist nötig, da die Airbnb-Buchungsdaten nicht veröffentlicht werden.

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